Zusammenschluss mit weiteren betroffenen Kommunen steht bevor
GARBSEN (stp). Nachdem in einer Sondersitzung des Verwaltungsausschusses gemeinsam mit dem Wirtschafts- und Finanzausschuss und dem Betriebsausschuss Stadtentwässerung am Donnerstagabend alle derzeit bekannten Fakten zum Greensill-Vorgang auf den Tisch kamen, blickt die Stadt Garbsen bei der Aufarbeitung ihrer Anlagestrategie nun vor allem nach vorn. „Die heutige Sitzung war der erste notwendige Schritt auf dem Weg zu einer umfangreichen Informationserhebung, die weitergehen wird. Dabei gilt angesichts der großen Bedeutung des Problems das Prinzip Gründlichkeit vor Schnelligkeit“, sagte Wilfried Aick, Vorsitzender des Betriebsausschusses Stadtentwässerung. Dieser Einschätzung schloss sich Gunther Koch, Vorsitzender des Wirtschafts- und Finanzausschusses, an: „Es ist normal, dass mehrere wichtige Fragen nicht sofort vollumfänglich beantwortet werden können. Wichtig ist, dass wir weiterhin in sachlicher Atmosphäre an der Aufklärung arbeiten und alle noch offenen Antworten nachgeliefert werden. Mögliche Schlussfolgerungen werden veranlasst, sobald dafür alle Informationen vorliegen.“

Die Prüfung der Vorgänge rund um das Anlagegeschäft ist nun auch Aufgabe des Rechnungsprüfungsamtes, informierte Bürgermeister Christian Grahl die teilnehmenden Politiker. „Ich habe den Auftrag erteilt, dass Anlagevorgehen objektiv und unvoreingenommen auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen. Dies dient der vollständigen, unabhängigen Klärung des Sachverhalts“, so der Bürgermeister. Sodann wird die Verwaltung dem Rat einen schriftlichen Bericht über den Vorgang vorlegen. Bei Neuigkeiten und Erkenntnissen werden zuerst die Ratsgremien und der Betriebsausschuss Stadtentwässerung und dann auch die Öffentlichkeit informiert.

Aktuell wird sich die Stadt Garbsen mit weiteren betroffenen Städten zusammenschließen, um sich innerhalb der kommunalen Familie auszutauschen und ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen. „Zu diesem Zweck tausche ich mich kontinuierlich mit dem Bürgermeister der ebenfalls betroffenen Kommune Monheim am Rhein aus. Eine Videokonferenz, an der weitere betroffene Kommunen und erfahrene Fachanwälte für Insolvenz- und Bankenrecht teilnehmen werden, findet am kommenden Montag statt“, so Grahl. Dabei soll unter anderem erörtert werden, welche Möglichkeiten im voraussichtlichen Insolvenzverfahren bestehen, um zumindest Teile der getätigten Einlagen zurückzuerhalten. Außerdem wird diskutiert, welche Mitverantwortung die Bafin trägt, die erst jetzt reagiert hat, obwohl ihr laut Presseberichten schon seit einem Jahr Informationen über Greensill vorlagen. Auch das Thema, ob Anlagenvermittler eine Mitverantwortung tragen, steht auf der Agenda. „Wir wollen auch entscheiden, ob die betroffenen Kommunen sich gemeinsam von einer fachkundigen Kanzlei juristisch vertreten lassen wollen“, sagte Grahl. „Wir haben bereits eine erfahrene Kanzlei beauftragt, für Garbsen eine Schutzschrift für eine eventuelle Gläubigerversammlung zu erstellen“, so Bürgermeister Grahl.

Der Eigenbetrieb Stadtentwässerung bei der Stadt Garbsen (SEG) hatte bei der Greensill Bank AG im Januar 2020 2,5 Millionen Euro mit einer Laufzeit von einem Jahr für 0,22 Prozent Zinsen und ebenfalls im Januar 2020 2,5 Millionen Euro für zwei Jahre für 0,4 Prozent Zinsen sowie im September 2020 sechs Millionen Euro für 0,35 Prozent Zinsen für ein Jahr angelegt. Die Bank hat die ersten 2,5 Millionen Euro vereinbarungsgemäß nach Ablauf der Anlagefrist im Januar 2021 positiv verzinst wieder an die SEG ausgezahlt.

Für die Auswahl der Anlage wurden definierte Kriterien berücksichtigt, darunter die Zinssätze, die Laufzeit und insbesondere die Einstufung der relevanten Ratingagenturen. Kommunen müssen nach dem Gesetz bei Geldanlagen auf ausreichende Sicherheit und angemessenen Ertrag achten. Die Greensill-Bank hatte zum Anlagezeitpunkt ein A- Rating. „Ein solches Rating bei einer deutschen Bank gilt als positiv“, sagte Daniel Wolter, Betriebsleiter der SEG.

Zum weiteren Hintergrund: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin hat am Mittwoch, 3. März, gegen die Bremer Greensill Bank wegen einer drohenden Überschuldung ein Zahlungsmoratorium verhängt. Damit darf die Bank keine Ein- und Auszahlungen mehr vornehmen. Von dem Moratorium sind neben der Stadt Garbsen weitere 50 Kommunen betroffen, darunter die Stadt Monsheim mit 38 Millionen Euro, die Stadt Osnabrück mit 14 Millionen Euro, die hessische Landeshauptstadt Wiesbaden mit 20 Millionen Euro, die Stadt Gießen mit 10 Millionen Euro und die städtischen Kölner Bühnen mit 15 Millionen Euro sowie darüber hinaus der Freistaat Thüringen mit 40 Millionen Euro.

Die Stadt Garbsen hatte schnell und transparent bereits am Sonntag, 7. März, die Öffentlichkeit und die Politik über den Vorgang informiert.