Für die Ratssitzung am 10.03.2014 hatten die Grünen eine aktuelle Aussprache beantragt. Wir dokumentieren an dieser Stelle den Redebeitrag des Fraktionsvorsitzenden Karsten Vogel.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
werter Herr Ratsvorsitzender,
liebe Ratskolleginnen, liebe Ratskollegen,
sehr geehrte Damen und Herren!

Worüber reden wir hier heute? Wir reden über Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität!

Seit Jahresbeginn haben die Bürgerinnen und Bürger der EU-Mitgliedsstaaten Rumänien und Bulgarien - 7 Jahre nach ihrer Aufnahme in der EU - die volle Freizügigkeit, Ihren Lebensmittelpunkt in Europa frei wählen zu können. Dies ist ein Recht, dass wir alle hier für uns jederzeit und ohne viel nachzudenken in Anspruch nehmen würden und gerade wir sollten 25 Jahre nach der Wiedervereinigung um den Wert dieses Rechts wissen. Gerade beim aktuellen Blick nach Osten in Richtung der Ukraine sollte uns bewusst sein, dass ein solcher Schritt nicht mehr als gerecht den Zuwanderern aus Bulgarien und Rumänien gegenüber ist und unsere Solidarität erfordert.

Vogel, Karsten
Karsten Vogel

In welche atmosphärische Situation geraten nun aber diese Menschen hier bei uns. Es kommen Menschen zu uns, unter ihnen viele Roma, die in ihren Heimatländern an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Wenn die, die zu uns kommen, erstmals legal als Arbeitnehmer einer Tätigkeit nachgehen können, dann ist das ein echter Beitrag, diese prekäre Lage zu entspannen. Unverantwortlich und der Sache in keiner Weise dienlich ist es, arme Menschen pauschal zu Kriminellen zu erklären. Wer so tut als seien alle Menschen aus Bulgarien und Rumänien arm und würden bei uns nur um Sozialleistungen anstehen, der verkennt die vielen Hochqualifizierten, die bei uns beispielsweise als Ärzte und Pflegekräfte bereits im Gesundheitsbereich arbeiten. Zehntausende Menschen in unserem Land sind einst als Flüchtlinge gekommen und haben noch immer keine sichere Perspektive, obwohl sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind und obwohl ihre Kinder hier ihre Schulabschlüsse gemacht haben.

Schlimm ist, dass nun plötzlich einige - auch etablierte Parteien – versuchen, mit dem Thema Stimmung zu machen. In Bayern finden Kommunalwahlen statt und schon kocht das Thema hoch. Wenn es denn auf Bayern beschränkt bliebe, wäre es schlimm genug. Leider werden aber auch hier vor Ort Mitbürgerinnen und Mitbürger verunsichert.

Es ist richtig, dass Kommunen in Deutschland allen voran Großstädte wie auch die Landeshauptstadt Hannover vor große Herausforderungen durch diese sogenannte Armutswanderung aus südosteuropäischen EU-Staaten gestellt werden. Darauf bereitet man sich dort offenbar verantwortlich schon länger aber nicht ganz geräuschlos vor. Verunsichert durch die öffentlichen Debatten reagieren Bürgerinnen und Bürger im Umfeld von geplanten Unterbringungsmöglichkeiten für diese Zuwanderer mit Bedenken, Ablehnung und Protest. Darauf setzen sich dann auch noch Brunnenvergifter und die politischen Rattenfänger.

Als nun Ende 2013 erste Gerüchte aufkamen, die Stadt Hannover wolle im Marienwerder Forst Unterkünfte für diese sogenannten Armutsmigranten schaffen, reagierten Havelser beunruhigt. Die Stadt Hannover ließ sich nicht wirklich in die Karten schauen und trug so auch nur unzureichend dazu bei, die Bedenken zu zerstreuen. Auch als Anfang Februar das Thema bei einem Ortstermin an der Stadt-grenze zwischen Garbsen und Hannover erneut hochkochte, hatte Hannover sich nicht öffentlich endgültig von seinen als Vorüberlegungen klassifizierten Planungen verabschiedet. Dies erfolgte aber umgehend, als OB Schostok endlich Klarheit schuf. Dabei soll es auch bleiben.

Für die SPD ist dabei klar, dass Zuwanderer aus Bulgarien und Rumänien oder auch jedem anderen Ort der Welt nicht voreingenommen herabqualifiziert werden dürfen. Ich bin froh, dass sich unser Innenminister Boris Pistorius zum Ziel gesetzt hat, eine neue Willkommenskultur in Deutschland zu schaffen. „Wenn man liest, dass Zuwanderer oft besser qualifiziert sind als Deutsche, wird man doch hellhörig.“, so Pistorius. Dazu gehört es aber auch selbstverständlich, Zuwanderer nicht an den Rand und aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verbannen. Die im Marienwerder Forst genannten Standorte möglicher Containerunterkünfte sind nicht wegen ihrer Nähe zu Havelse ungeeignet, nein, sondern da diese die Teilhabe der Zuwanderer am gesellschaftlichen Leben in ihrer neuen Heimat nur verhindern können. Daraus dann entstehende Konflikte wollen wir alle nicht.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!

(Es gilt das gesprochene Wort!)

10.03.2014
Karsten Vogel
Fraktionsvorsitzender
SPD Ratsfraktion Garbsen